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Von Heinrich Deisl.

Spin the globe! – Mit DJing die Welt entdecken

Angewandte Tanzerweiterung oder: Schwitzen zur Ostkultur

Es gibt solche, die sprechen über die „Osterweiterung“. Dann gibt es solche, die sie betreiben. Bei Project East! ist man schon einen Schritt weiter und bringt als angewandte Kulturvermittlung Leute zum gemeinsamen Abtanzen zusammen.

Die Gruppe Project East! (PE) lässt seit März 2003 die Turntables in Mittel- und Osteuropa rotieren. Netzwerke herstellen, sich gegenseitig beim Veranstalten helfen, Künstler aus dem Osten in Wien auflegen lassen, dafür in den Hauptdestinationen von PE Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn furios Beats verlegen: Für die zur Zeit 15 Vereinsmitglieder aus Polen, Tschechien, Ungarn, Frankreich und Österreich umfassenden DJs, Sängerinnen und VJs von Project East!, zwischen 27 und 35 Jahre alt, ist das redliche Leidenschaft.
Initiatoren dieser auf den Ost-West-Austausch spezialisierten DJ-Booking-Agentur sind die beiden Veranstalter und DJs Simon „Simonlebon“ Birner und Oskar „Oscarsix“ Malnowicz. Zusammen mit seiner Frau Natasza verfügt das aus Krakau und Katowice stammende DJ-Ehepaar Malnowicz über einschlägige Kontakte zur dortigen Club- und DJ-Szene. Man ist auf derartige Verbindungen vor Ort angewiesen, wie Birner im Interview feststellt: „In Krakau etwa haben wir ein Stammpublikum von rund 250 Leuten. Seit Sommer 2003 agiert neben Wien auch dort eine Homebase von PE. Für DJ-Culture gibt es in Polen jedoch ein enormes Infrastruktur-Problem. In Krakau existiert kein einziger Plattenladen, gerade einmal zwei in Warschau. Die meisten sind deswegen gezwungen, ihre Scheiben aus dem Internet zu bestellen.“

Schwitzen für heiße Partys

Ein voller Terminkalender – besonders in den östlichen Partnerländern – spricht für das Projekt. Einer der Höhepunkte 2003 war sicher das Konzert der polnischen HipHop-Band Kaliber 44 beim Wiener Donauinselfest. In der österreichischen Szene ist PE begehrt. Tendenz steigend. Für hiesige Vereinsanwärter musste deswegen gar ein Aufnahmestopp ausgegeben werden. Denn jeder will im Osten auflegen. Schließlich heißt es, das Publikum dort sei wesentlich aufgeschlossener und tanzfreudiger als in Österreich. Die PE-DJs Simonlebon und Marcus Neve wissen, wovon sie sprechen: Immerhin über 30 „Ost-Einsätze“ haben die zwei bis jetzt schon hingelegt.
Generelles Manko: Geld. Birner: „Man muss sich arrangieren. Große Honorare können wir nicht zahlen. Denn mit den gängigen Gagen eines namhaften DJs sind wir überfordert. Damit kämen wir teils auf das durchschnittliche Jahreseinkommen in Polen.“ Aber Geldmangel hat noch selten dazu beigetragen, sich die Flausen kreativer Tätigkeiten aus dem Kopf zu schlagen. So wird improvisiert bis zum Morgengrauen zu kleinem Tarif: „Eine gute Party ist eben keine Frage des Geldes“, so Birner. „Sogar der Vizedirektor des polnischen Kulturinstituts in Wien, Cezary Kruk, hat anlässlich unseres Events im März zur Einjahresfeier im Wiener WUK mehr als zwei Stunden zu Drum’n’Bass getanzt. Das ist praxisorientierte Kulturvermittlungsarbeit“, ist DJ Neve begeistert.
Selbst die Namhaften der Branche sind, wie’s scheint, von Project East! inzwischen begeistert. Für einen Gig in Katowice in Polen (15. Mai 2004) bekommt Project East! Unterstützung von niemand Geringerem als Patrick Pulsinger, viel gebuchter DJ-Export aus Österreich und Betreiber des international bekannten österreichischen Labels Cheap Records. Als nächstes größeres Projekt hat man sich übrigens vorgenommen, den Live-Soundtrack für einen polnischen Underground-Film (Titel noch unbekannt) fertig zu stellen und damit auf Kinotour zu gehen. Die verstärkte Zusammenarbeit mit Filmfestivals, die Project East! derzeit plant, kann dabei nur helfen.



Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Juli 2004
> Link: REPORT online > Link: Project East-